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Antrag Klimanotlage am 31.05.2023 – Redemanuskript der Fraktion ZLR

Was haben die Gemeinde Engelskirchen, die Städte Heidelberg, Erlangen, Konstanz, Saarbrücken, Köln, Bochum, Düsseldorf, Karlsruhe, Aachen, Münster, München, Los Angeles, Basel, London, Vancouver, Horstmar, Herford und der Kreis Düren gemeinsam? Was verbindet das Bundesland Berlin, das EU Land Spanien und seit Ende 2019 auch die EU? In all diesen Städten (weltweit bereits weit über 1.000 an der Zahl) und Kreisen, Staaten und der EU hat der jeweilige Rat (bzw. das Parlament) den Klimanotstand ausgerufen. Sind das alles radikale Müsli-Hochburgen, die von Extremisten regiert werden? Nein, natürlich nicht. Dort haben die Verantwortlichen quer durch die politischen Lager einen kritischen Blick auf die Lage geworfen und ihre Schlüsse gezogen. Die haben Beschluss gefasst, meist mehr oder weniger wie der, zu dem Ihnen heute ein Antrag vorliegt: Nämlich der Antrag, den Klimanotstand, oder wie wir es nennen, die Klimanotlage zu erklären.

Und eine solche Notlage liegt nach Ansicht von vielen Menschen unserer Gemeinde vor. Seit Jahren schreiten die Veränderungen, von denen uns die Wissenschaft sagt, wir müssen sie so schnell wie möglich aufhalten, ungebremst voran. Nein sie beschleunigen sich noch von Jahr zu Jahr. Reden Sie mit Ihren Försterinnen und Förstern, reden Sie mit Menschen in der Tourismusbranche z.B. in Skigebieten oder reden Sie mit den Verantwortlichen bei BASF, die im letzten Jahr wegen Rheinniedrigwasser über Wochen teure Anlagen stilllegen mussten; Produktionsausfälle und Millionenverluste inbegriffen. Oder erinnern Sie sich an das verheerende Hochwasser aus dem Jahr 2021. Das alles findet längst vor unseren Augen und in unserer Gemeinde statt.

Und trotzdem treten wir seit Jahrzehnten auf der Stelle. Wir sind alle gut darin, wohlklingende Presseveröffentlichungen zu verfassen und diktieren in jeden Journalistenstenblock, dass der Klimaschutz eine zentrale Aufgabe und von höchster Bedeutung für die kommenden Generationen ist.

Ich zitiere: „Denn Klimaschutz und Energiewende werden nur dann erfolgreich sein, wenn sie auch auf lokaler Ebene umgesetzt und von den Einwohnern der Stadt aktiv mitgestaltet werden. Unser Ziel ist es, die Klimaneutralität für öffentliche Einrichtungen bis 2030 zu erreichen. Für die Bürgerinnen und Bürger in Rösrath möchten wir dagegen bestmögliche Anreize, Angebote und Unterstützungen zur Verfügung stellen, uns auf diesem Weg zu begleiten.“

Dazu müssen wir den Klimawandel als Tatsache und Bedrohung akzeptieren und alle Anstrengungen unternehmen, um diesen zu bremsen und mit den unausweichlichen Folgen umzugehen.“

Woher stammen diese Texte? Sie stammen aus der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung von Rösrather Grünen und CDU aus dem Jahr 2020, also noch vor dem Hochwasser.

Derzeit haben aber unsere Maßnahmen nicht ausgereicht, um eine Katastrophe wie 2021 auch nur zu mildern. Und daher halten wir den Begriff Klimanotlage für angemessen und geboten. Und damit sind wir nicht allein: Umfragen zeigen, dass auch eine große Mehrheit in der Bevölkerung sich trotz der großen und weltweiten Krisen bewusst ist, dass die Klimakrise die dringendste und dramatischste von allen ist. Und dennoch haben wir im Vorfeld vernommen, dass der Fraktion ZLR vorgeworfen wird, einen Showantrag geschrieben zu haben, uns wird Hysterie vorgeworfen. Am liebsten möchte man den Antrag ungeschehen oder gar unsichtbar machen, um in gewohnter Weise weiterzumachen und der Öffentlichkeit damit zu erklären, „alles in Ordnung, kein Grund zur Sorge, wir kümmern uns.“

Wir teilen diese Meinung nicht – wir denken, die Zeit ist reif uns und der Öffentlichkeit klarzumachen, ein „weiter so“ reicht nicht mehr. Soll keiner sagen wir seien ungeduldig: Wir hatten den vorliegenden Antrag zum Klimanotstand allen demokratischen Fraktionen dieses Gremiums vor knapp einem halben Jahr mit den Fragen vorgelegt, „was haltet Ihr davon, welche Änderungen habt Ihr, damit wir einen gemeinsamen Antrag in den Zukunftsausschuss einbringen können?“ Die Rückmeldungen waren weitestgehend verhalten. Mit den Grünen hatten wir einen intensiven Austausch, für den wir uns bedanken. Einige hatten mit dem Begriff „Notstand“ im Klimanotstand ihre Probleme und fühlten sich an die Notstandsgesetze der 60 und 70er Jahre erinnert. Also haben wir uns auf den Begriff der Klimanotlage geeinigt. Es gab Hinweise auf das Kooperationspapier von CDU und Grünen, die ambitioniertere Ziele als unser ursprünglicher Antrag festgelegt haben, also haben wir das Zieljahr für eine klimaneutrale Kommune auf 2030 geändert.

Mit der Klimanotlage soll also weder Symbolpolitik betrieben, noch handelt es sich um Hysterie oder gar Show. Darauf antworten wir selbstbewusst, dass Themen von dieser Tragweite am besten für alle sichtbar öffentlich besprochen und beschlossen werden müssen. Und wir stellen die Gegenfrage, ob es nicht vielmehr Schaufensterpolitik ist, wenn wir uns für PR-trächtige aber weitgehend unzureichende Maßnahmen öffentlich auf die Schulter klopfen.

Von tausenden Wissenschaftlern werden wir seit langem gemahnt, wir müssen, wenn wir das Pariser Abkommen von 2015 ernst nehmen, unseren CO2 Ausstoß pro Jahr um 6 bis 7% nach unten zu fahren. Davon jedoch sind wir auf Gemeinde- oder Kreisebene derzeit noch meilenweit entfernt. Und nebenbei: Diese eben erwähnten 6 bis 7% ergeben sich aus der Sachlage von 2015. Das ist aber auch schon wieder acht Jahre her, in denen wenig bis gar nichts passiert ist. Die nötige Absenkung muss daher inzwischen deutlich steiler erfolgen.

Bei unserem Antrag muss auch niemand befürchten, dass sich daraus direkt unabsehbare juristische Konsequenzen ergeben. Die Erklärung der Klimanotlage ist zunächst einfach ein Akt der Ehrlichkeit: Wir gestehen uns und der Öffentlichkeit ein, mit einem „weiter so“ ist es hier nicht getan. Sie müssen auch gar nicht den zahlreichen Unterstützern wie Rösrath For Future, dem Lebenswerten Sülztal, Rösrath VeloCity, Mixtape C90, Gutes Leben Rösrath, der Interessengemeinschaft Energie Stöcken oder der Bürgerinitiative Paffrather Feld hinterherlaufen. Gerade die Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD haben so großartige Persönlichkeiten in ihrer Geschichte, die bereits vor 20-30 Jahre erkannt haben, was die Uhr geschlagen hat. Beispiele sind Hermann Scheer von der SPD oder Klaus Töpfer, auf den die CDU stolz sein darf.

Wir schlagen mit unserem Antrag im Wesentlichen vor: 1) wir alle zusammen gestehen uns ein, dass unsere Maßnahmen in der Vergangenheit nicht ausgereicht haben, um unseren Anteil an der Eindämmung der Klimakrise zu leisten. 2) dass von nun an alle Beschlüsse der Stadt ähnlich wie hinsichtlich ihrer Finanzen in Zukunft auch hinsichtlich ihrer Folgen für das Klima konkreter bewertet werden müssen. Wir schlagen also explizit nicht ein Bündel von konkreten Maßnahmen vor. Dieses Bündel muss mit ihnen zusammen und der Verwaltung erstellt und implementiert werden. Zuvorderst ist hier unser neuer Klimaschutzmanager zu nennen, auf den wir setzen. Unsere Verwaltung hat bisher in dem engen Bereich, den ihnen die angespannte personelle Situation gelassen hat, gezeigt, wie zielgerichtet und erfolgreich sie Maßnahmen planen und umsetzen kann. Dafür gebührt Anerkennung und Dank. Nun aber sehen wir mit Blick auf die Entwicklungen hier wie weltweit: das hat nicht gereicht, wir müssen mehr machen.

Zusammenfassend gilt: Mit einem weiter so ist es beim Klima nicht getan. Es haben längst dramatische Veränderungen eingesetzt, auf die wir noch nicht annähernd angemessen reagiert haben; wofür wir derzeit noch nicht einmal einen Plan haben und deswegen liegt hier eine Notlage vor.

Und zuletzt gestatten Sie mir noch eine Frage. Was haben die Städte Heidelberg, Köln, Karlsruhe, München, Los Angeles, London, Vancouver, Horstmar und Herford nicht mit Rösrath gemeinsam? Diese Städte wurden nicht von einem katastrophalen Hochwasser im Jahr 2021 mit einem Todesfall und tausenden betroffenen Haushalten heimgesucht. Die Tage des 14. und 15. Juli 2021 haben uns gezeigt, wie verwundbar unsere Stadt ist. Es hat uns gezeigt, dass wir in besonderer Weise von einem Wandel betroffen sind, dem wir verpflichtet sind, gegenzusteuern.

Es handelt sich mithin bei unserem Antrag nicht um Hysterie oder Show. Es ist eine Frage der Haltung, wie man mit den Herausforderungen der Zukunft umgeht. Ungeachtet dessen, wie die Abstimmung heute ausgehen mag: Wir werden uns diesen Herausforderungen stellen, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und unsere Stadt an den Ufern der Sülz lebenswert zu gestalten.

Insofern bitten wir Sie, heute die Parteibrillen einmal beiseitezulegen und den Blick auf die wirklich großen Dinge zu legen, die uns alle vereinen. Wir bitten um Unterstützung, wir bitten um Feststellung einer Klimanotlage der Stadt Rösrath.

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