Die Empörung in der Politik war groß, als im Ausschuss für Schule, Sport und Freizeitgestaltung am 16. November 2023 die voraussichtlichen Anmeldezahlen für die Eingangsklassen des kommenden Schuljahres 2024/25 gezeigt wurden. In diesem Zusammenhang wurde der Bedarf an OGS-Plätzen besprochen. Nur kurze Zeit vor dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen OGS-Platz im Jahr 2026 stürzen Betreuungskapazitäten der Stadt Rösrath immer weiter ab. Oder besser ausgedrückt: Man kann den stetig steigenden Zahlen an Schülerinnen und Schülern kein adäquates Betreuungsangebot mehr entgegen setzen.
(Kinder-) Betreuungsnotstand in Rösrath
Im besagten Ausschuss wurde weiter besprochen, dass knapp 230 Schülerinnen und Schüler im kommenden Schuljahr eingeschult werden, die einen OGS-Bedarf haben. Tatsächlich aber werden an den Grundschulen nur 137 Plätze frei. Hieraus ergibt sich eine Lücke von 93 Plätzen. Sollte man wegen des „drohenden“ Rechtsanspruchs im Jahr 2026 eigentlich einen Betreuungsschlüssel von 100% für neu eingeschulte Kinder ansteuern, so stürzt dieser in Rösrath von knapp 80-85% in den vorangegangenen Jahren nun auf unter 60% ab. Eine Katastrophe für zahlreiche Familien, in denen alle Elternteile berufstätig sind. Hinzu kommt, dass es aktuell auch an räumlichen Kapazitäten und insbesondere Personal mangelt, diesen Betreuungsnotstand beheben zu können. Verschärft werden könnte die Situation noch zusätzlich, wenn in den kommenden Jahren knapp 17 Betreuungsplätze der evangelischen Gemeinde aufgegeben werden könnten – diese Gefahr steht nach aktuellen Berichten zumindest im Raum.
Die entscheidende Frage: War die Entwicklung absehbar?
Für uns als junge Wählergemeinschaft stellt sich hierbei die Frage, ob Politik und Verwaltung die Entwicklung haben kommen sehen. Im folgenden Teil des Beitrages werden wir zeigen, dass die Rösrather Probleme weitestgehend hausgemacht sind und die Entwicklung der massiv steigenden Schüler:innenzahlen schon im Rahmen der sogenannten Schulentwicklungsplanung im Jahr 2019 besprochen wurde.
Rösrath: Bauen bis der Bagger glüht
In den letzten Jahren sind in Rösrath große, investorenfinanzierte Bauvorhaben entstanden. Zudem stehen zahlreiche weitere Bauvorhaben und Bebauungspläne vor der Tür. Exemplarisch zu nennen sind hier Haus Hack, Heidchenwiese, Altvolberger Wiese. Fakt ist, dass Wohnraum in Deutschland fehlt. Wenn man aber von einem Mangel an Wohnraum spricht, dann ist hiermit aber in erster Linie bezahlbarer Wohnraum, also sozialer Wohnungsbau gemeint. Stichwort ist hier u.a. die soziale Wohnraumförderung. In Rösrath wird aber mitnichten bezahlbarer Wohnraum geschaffen, sondern die großen Bauvorhaben werden durch gewinnorientierte Investoren durchgeführt. Die Stadt vergibt bei diesen Bauvorhaben regelmäßig die Chance, regulierend, z.B. durch entsprechende Vorgaben in Bebauungsplänen, einzugreifen. Die Wählergemeinschaft ZLR scheitert ebenso regelmäßig im Rat und den entsprechenden Ausschüssen, soziale und ökologische Standards für den Wohnungsbau in Rösrath verbindlich festschreiben zu lassen. Für unsere Forderungen und Anträge gibt es immer wieder Ohrfeigen der etablierten Politik, insb. von CDU, SPD und FDP, die nahezu reflexartig für jedes Bauvorhaben die Hand heben.
Wohnungsbau vs. soziale Infrastruktur – was muss zuerst kommen?
Nun schauen wir uns doch mal an, wie sich die Bevölkerung in Rösrath durch all diese Bauvorhaben entwickelt hat. Werden tatsächlich junge Familien nach Rösrath „gelockt“, die mit dem dann folgenden Betreuungsnotstand allein gelassen werden?
Wir machen es kurz: Die Bevölkerungsentwicklung Rösraths der letzten Jahre und Jahrzehnte liegt zum Teil deutlich über der anderer Gemeinden des Rheinisch-Bergischen Kreises (RBK). Stieg die Bevölkerung im gesamten RBK in den Jahren 2012 bis 2022 um knapp 3% von 277.997 auf 286.213 Personen an, so war im gleichen Zeitraum in der Stadt Rösrath eine Zunahme von knapp 5% von 27.516 auf 28.889 Menschen zu verzeichnen. Blickt man auf einen Zeitraum ab dem Jahr 2000, so haben wir in Rösrath eine Bevölkerungszunahme von knapp 10%, im gesamten RBK sind es aufgerundet gerade mal 4%. Die exzessive Baupolitik in Rösrath macht sich – wie soll es auch anders sein – in den Bevölkerungszahlen bemerkbar. Notiz am Rande: Keine andere Kommune im RBK hat mit einem derart hohen Bevölkerungszuwachs zu tun.
Bevölkerungswachstum ist ok, wenn …
Ist ein Bevölkerungszuwachs vor dem Hintergrund des Rösrather Bauwahns, aber auch der zahlreichen Kriege und Krisen mit hoher Migration denn schlecht? Aus unserer Sicht nicht, man muss aber bereits frühzeitig die soziale Infrastruktur (bspw. Schulen und Kindergärten) entsprechend der Bevölkerungsentwicklung anpassen. Und nochmal: Es handelt sich hier um hausgemachte Probleme. Man kann nicht das eine tun (bauen), ohne das andere zu lassen (Ausbau von Schulen, Kindergärten und Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche).
Fakt ist auch, dass die Betreuungsangebote sowie Schul- und Kindergartenplätze in den letzten Jahren nicht konsequent ausgebaut wurden. Seit Beginn unserer politischen Arbeit im Jahr 2020 gibt es Jahr für Jahr Diskussionen um fehlende Plätze an Grund- und weiterführenden Schulen, die Streitereien um die sogenannte Zügigkeit der Schulen gehören zum immer wiederkehrenden „Spiel“ zwischen Politik und Verwaltung. Und jedes Jahr gehen die Protagonisten auseinander und tun ein Jahr später wieder so, als würden die Probleme vom Himmel fallen.
Doch sind die Probleme wirklich unbekannt gewesen? Wir haben mal genauer hingeschaut und die sog. Schulentwicklungsplanung der Stadt Rösrath aus dem Jahr 2019 unter die Lupe genommen.
In der Sitzung des Bildungs-, Schul- und Sportausschusses am 19.09.2019 wurde anlässlich der geplanten Errichtung der Gesamtschule in Rösrath die Schulentwicklungsplanung bis 2024/25 im Entwurf vorgestellt.
Und siehe da: Insbesondere für die Jahre ab 2020 wurde eine massive Zunahme der Schüler:innenzahlen in den Klassen 1 bis 4 prognostiziert. Von 1.082 Schüler:innen im Jahrgang 20/21 sollten die Zahlen auf über 1.200 im Jahr 24/25 steigen. Ein Anstieg von mehr als 10% in kürzester Zeit.
In dem Entwurf der Schulentwicklungsplanung aus dem Jahr 2019 heißt es wie folgt: „In Hinblick auf die Schülerzahlentwicklung der Grundschulen ist neben der Entwicklung der Geburtenzahlen auch die des Wohnungsbaus bedeutsam; nach dem aktuellen Planungs-/Genehmigungsstand bzw. analog zu den wohl tatsächlichen Bauerwartungen könnten in den nächsten Jahren eine ganze Reihe neuer Wohneinheiten in der Stadt Rösrath realisiert werden: Ausgegangen wird hier bereits mittelfristig von 478 Wohneinheiten.“
Ungeachtet der Tatsache, dass die Zahl neuer Wohneinheiten damals um mehrere hundert zu niedrig angesetzt wurde, hatten Politik und Verwaltung allerspätestens im Jahr 2019 alle Informationen zu den Folgen des exzessiven Bauens im Hinblick auf die soziale Infrastruktur vorliegen. Es wäre also spätestens im Jahr 2019 erforderlich gewesen, die Schul- und Kindergartenplätze sowie Betreuungsangebote für Kinder massiv auszubauen. Passiert ist aber nichts.
Wegschauen ist keine Politik
Es kann also niemand aus Politik und Verwaltung sagen, er hätte es nicht gewusst. Wir zeigen in diesem Beitrag daher Versäumnisse auf, die bis heute ungelöst geblieben sind. Empörend ist in diesem Zusammenhang aber, dass gerade die Parteien, die in Rösrath nahezu alle Bauvorhaben anstandslos durchwinken, jetzt in Bezug auf die Betreuungsmisere in Rösrath in vorderster Linie stehen, wenn es um Kritik an anderen geht. Da weiß die eine Hand scheinbar nicht, was die andere tut.
Kurzfristig: Wir brauchen die Taskforce „Schule und Betreuung“
Aus der Politik (SPD) kam im letzten Schulausschuss schon der Vorschlag bzw. die Forderung, dass sich Schulträger (Stadt), Schulen und Politik möglichst schnell an einen Tisch setzen müssen, um zumindest den Betreuungsnotstand für das kommende Schuljahr abzumildern. Es müssen schnelle und zur Not auch kreative Lösungen gefunden werden. Wir erwarten nun, dass der Ausschussvorsitzende der CDU den Vorschlag aufnimmt und kurzfristig Entscheidungsträger und sonstige Protagonisten für eine solche Taskforce zusammenbringt.
Mittelfristig: Ein Umsteuern ist erforderlich
Die ausgedehnte Schaffung von Wohnraum innerhalb kürzester Zeit erfordert bereits im Vorfeld eine sorgfältige Planung und Berücksichtigung von Bildungseinrichtungen und Betreuungsangeboten für Kinder. Da in den letzten Jahren hier viel Zeit tatenlos verschwendet wurde, müssen wir nun beim Bau solcher Einrichtungen verstärkt modulare Bautechniken nutzen, bei denen vorgefertigte Module vor Ort montiert werden können. Wir benötigen standardisierte Entwürfe für diese Einrichtungen, um den Planungsprozess zu rationalisieren und Zeit zu sparen. Neue Bauvorhaben und die Genehmigung von Bebauungsplänen für den Haus- und Wohnungsbau müssen einher gehen mit der Schaffung von Kindergarten- und Schulplätzen. Investoren müssen gewonnen werden, sich an dem Bau und der Finanzierung von Kindergärten und Betreuungsangeboten zu beteiligen. Flächen in Rösrath dürfen nicht mehr rein gewinnorientiert verscherbelt werden, die künftige Nutzung muss die entscheidende Rolle spielen.
Fazit: Es ist vieles schief gelaufen, aber es gibt Hoffnung
Es wurde in Rösrath lange eine Klientel bedient, die einen schnellen Bevölkerungswachstum versprochen hat. Es wurde in Bezug auf die langsam verkümmernde soziale Infrastruktur weggeschaut und noch immer fehlt es Entscheidungsträgern an Schwung und entschlossenem Handeln. Erste zarte Erfolge in der Personalpolitik der Stadt sind erkennbar. Neue Leute bringen Schwung und Hoffnung zurück. Und ZLR? Wir werden weiter unbequem sein, Ideen präsentieren, Forderungen stellen und den Finger in die Wunde legen.