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Dialog Impulse

Der Weg zu neuen Zielen

Dies ist der zweite Beitrag zu ausgewählten Themen aus unserem Impulspapier „Mobilität und öffentlicher Raum“.

Schon vor vielen Jahren auf den Punkt gebracht

„Städte sind steingewordene Gesellschaftspolitik. Aus ihren Grundrissen, aus ihren Strukturen kann man Wertordnungen ablesen.“

Hans-Jochen Vogel (SPD)

Die sichtbaren Spuren in unserer Stadt

Die Art und Weise, wie wir unsere Städte gestalten, sagt also viel darüber aus, was wir als besonders wichtig erachten, und was wir als nachrangig bewerten. Dies hat nicht nur in Rösrath deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.

Konkreter: Die bis heute andauernde Priorisierung des fließenden (sprich: motorisierten) und des ruhenden Verkehrs (sprich: Parken von Autos, Kleintransportern, Wohnmobilen und Anhängern) stellt eine historisch basierte Schieflage bei der Nutzung von öffentlichem Raum dar und bringt eine Vielzahl von unerwünschten Nebeneffekten mit sich.

Die Symptome sind allgegenwärtig

  • Starke Belastung der Hauptverkehrsadern: Auf Grund der topografischen Lage Rösraths ergibt sich, dass die zentralen Durchgangsstraßen ein besonderes Maß an Verkehr bewältigen müssen. Darüber hinaus werden diese auch gerne vom Schwerlastverkehr als Abkürzung zwischen A3 und A4 genutzt. Dies verursacht nicht nur Lärm- und Luftemissionen, sondern sorgt auch für eine unnötig hohe Abnutzung von Straßen und Brücken. Auch der besonders laute Motorradverkehr in den warmen Monaten des Jahres stellt für Anwohner eine erhebliche Belastung dar.
  • Autozentrierte Strukturen – Mobilität wird gleichgesetzt mit Automobilität: Der fließende und auch stehende Verkehr nimmt in Rösrath den weitaus größten Teil des öffentlichen Raumes ein. Der hochrangige Automanager Daniel Goeudevert hat einst gesagt: “Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten”. Dieser Satz ist inzwischen auch empirisch bestätigt – mehr Straßen steigern automatisch das Verkehrsaufkommen durch fehlgeleitete Anreize. Diese autozentrierte Infrastruktur hat ihren Preis: Nachteilig wirkt sich dies auf nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmende und, ganz allgemein, auf die städtische Lebensqualität aus.
  • Fußgänger und Radfahrende sind Verkehrsteilnehmende zweiten Ranges: Dieser Zustand äußert sich sowohl in der Menge der ihnen zustehenden Flächen, als auch im verbesserungswürdigen Allgemeinzustand vieler Wege. Dies belegt der Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) aus dem Jahr 2022: Unter den Städten und Gemeinden zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern belegt Rösrath den bescheidenen Rang 368 von insgesamt 447 Orten.
    Gleiches gilt für Fußgänger: Viele Gehwege sind auf Rösrather Straßen schmal, nur einseitig oder gar nicht vorhanden; vielfach werden sie zum Teil für aufgesetztes Parken von Autos zur Verfügung gestellt. Selbst bei Straßen, die prinzipiell eine großzügige Breite aufweisen und einen wichtigen Schulweg darstellen, gibt es weder einen Radweg noch beidseitig durchgängige und ausreichend breite Gehwege.
  • Große Zahl von „Elterntaxis” für Wege zu Kitas und Schulen: Die vorgenannten Punkte tragen sicherlich (wenn auch nicht ausschließlich) dazu bei, dass viele Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Kita oder Schule bringen. Diese individuell erhöhte Sicherheit erkaufen wir durch noch mehr Verkehr zu Stoßzeiten, der die Sicherheit der verbleibenden Fußgänger und Radfahrenden weiter beeinträchtigt und so einen Teufelskreis vorantreibt.

    Die Situation wird an allen Schulen inzwischen als hochproblematisch bewertet. Stellvertretend hierzu ein Auszug aus einer Mail der Schulpflegschaft des Freiherr-vom-Stein Gymnasiums an die Eltern:
  • Gestaltungsmöglichkeiten trotz Flächenmangel: Den Möglichkeiten, Räume neu zu gestalten, sind an einigen Stellen Rösraths enge Grenzen gesetzt. Wir sind aber überzeugt: Es gibt Spielräume für eine Neuorientierung – dies erfordert jedoch politischen Willen und mehr planerische Fantasie. Wir besitzen in Rösrath durchaus potenziell sehr schöne zentrale öffentliche Flächen: Wir glauben, dass es oft hochwertigere Nutzungsmöglichkeiten gäbe als die Bereitstellung dieses Raums für den ruhenden Verkehr.
Parkplatz hinter dem Rathaus Rösrath in Hoffnungsthal
  • Fehlendes echtes Zentrum mit öffentlichen Plätzen, die zum Aufenthalt einladen: Hochwertige naturnahe Bereiche gibt es sicherlich an der Sülz und in der umgebenden Natur – alle Stadtteilzentren Rösraths mangelt es aber an freundlichen Aufenthaltsorten. Unter dieser unzureichenden innerörtlichen Attraktivität leiden auch Einzelhandel und zentrumsnahe Außengastronomie. Die Zentren von Rösrath sind heute auf das möglichst zügige Durchfahren hin optimiert, aber nicht auf den qualitativ hochwertigen Aufenthalt in ihnen.
  • Wenige Räume, in denen sich Kinder frei bewegen können: “Früher haben wir immer auf der Straße gespielt”, sagen wir Älteren gelegentlich. Heute spielen Kinder entweder im häuslichen Umfeld oder auf den wenigen, vergleichsweise kleinen und oft recht unattraktiven Spielplätzen. In Hoffnungsthal besitzt beispielsweise alleine der Aldi-Parkplatz (nicht-öffentlicher Raum) ungefähr die fünffache Größe des (derzeit nicht nutzbaren) einzigen echten Spielplatzes an der Sülz. Hier ein maßstabsgetreuer Vergleich dieser Räume:
  • Soziales Ungleichgewicht: Wie auch in anderen Städten sind auch in Rösrath die Wohnungen sozial schwächerer Gruppen überdurchschnittlich häufig an den Hauptstraßen gelegen; die Belastung durch Lärm- und Luftemissionen hat somit auch eine stark soziale Komponente. Auch besitzen Bewohner von Mehrfamilienhäusern in der Regel keinen eigenen großen Garten und sind deshalb besonders auf Entfaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum angewiesen.
  • Vermeintliches Gewohnheitsrecht, überall fahren und parken zu dürfen: Bestehende Regeln zu Park- und Halteverboten werden kaum durchgesetzt. Bei den unzähligen “kurzen Erledigungen” wird die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrenden gefährdet. Beim sogenannten aufgesetzten Parken ragen die immer breiter und schwerer werdenden Fahrzeuge häufig in den verbleibenden Gehwegbereich, ohne dass diesem Einhalt geboten wird.

    Das existierende Vollzugsdefizit ist inzwischen auch Thema in der Fachliteratur. In der „Neuen Zeitschrift für Verkehrsrecht“ (Ausgabe 5/2022, S. 220ff.) wird der von Ordnungsbehörden oft angeführte Ermessensspielraum bestritten: „Die Verkehrsverwaltung muss den gesetzgeberischen Willen, das Geh- und Radwegparken grundsätzlich zu ahnden, berücksichtigen. Sie muss außerdem die Rechte behinderter Menschen wahren (…)“.
  • Punktuelle Verbesserungen, aber kein übergreifendes Konzept: Im vergangenen Jahr gab es eine Reihe begrüßenswerter Verbesserungen in Rösrath, z.B. die Einführung des Bergischen Bikes und verbesserte Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Andererseits zeugt die jüngste Sanierung der Hauptstraße zwischen Rösrath und Hoffnungsthal davon, dass von einer umfassenden und schlüssigen Neuorientierung zur Mobilität in Rösrath derzeit noch nicht gesprochen werden kann.

Es ist deutlich ersichtlich, dass der aktuelle Zustand dringender Veränderungen bedarf. Wir möchten daher einen Beitrag leisten, dass sich dies in Zukunft ändert.

Welche Ziele verfolgen wir damit?

Künftige Maßnahmen sollten aus unserer Sicht die folgenden fünf wichtigen Zieldimensionen im Blick haben:

  • Steigerung der Lebensqualität: Eine Beruhigung des innerörtlichen Verkehrs trägt dazu bei, die Lebens- und Aufenthaltsqualität zu steigern und den sozialen Raum zu stärken. Menschen, die an Hauptstraßen leben, werden durch solche Maßnahmen in besonderer Weise entlastet.
  • Sichere und komfortable Mobilität für alle: Alle Verkehrsteilnehmenden sollen ein hohes Maß an Sicherheit genießen. Dadurch steigern wir auch die Autonomie von Kindern und Jugendlichen, Senior:innen und Menschen mit Behinderung, so dass sie in die Lage versetzt werden, mehr tägliche Wege ohne externe Unterstützung zu bewältigen.
  • Fairere Verteilung des öffentlichen Raums: Wir möchten die Gewichtung verändern – hin zu mehr Raum für die Mobilität zu Fuß und per Fahrrad. Davon profitieren ganz besonders Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung. Die Neuverteilung betrifft Räume für den Verkehr wie auch für den Aufenthalt in gleicher Weise.
  • Vitale Ortskerne: Eine höhere Attraktivität der Ortskerne ist eine zentrale Voraussetzung, um positive Wirkungen in Bezug auf Einzelhandel, Gastronomie und Gewerbe zu entfalten.
  • Nachhaltige, klimaneutrale Kommune: Nicht zuletzt stellt mehr Nachhaltigkeit im Verkehrssektor einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz dar.

Was wir vorschlagen, ist nicht neu. Und das ist gut so.

Es ist keineswegs der Anspruch von Zusammen Leben Rösrath, in diesem Politikfeld mit vollkommen neuen Gedankenansätzen und Ideen für Maßnahmen aufzuwarten. Das ist auch nicht notwendig.

Im Gegenteil: Wir betrachten es als Vorteil, Vorschläge für bereits existierende und nachweisbar erfolgreich erprobte Maßnahmen in die kommunale Politik von Rösrath einzubringen.

Dass dies bisher von der Lokalpolitik nicht in einer strategisch durchdachten Form getan wurde, sehen wir als Versäumnis, das es nun dringend zu beheben gilt. Eine sinnvolle Neuorientierung darf sich nicht zu Beginn in die Kleinteiligkeit punktueller Maßnahmen begeben, sondern muss den Rahmen abstecken, in den sich die Einzelmaßnahmen als sinnvolle Bausteine eingliedern.

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