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Dialog Faktencheck

Luftfiltergeräte für Rösrather Schulen – ja oder nein?

Anfang September standen die Zeichen in Rösrath auf Vollausstattung der Schulen mit Luftfiltergeräten. Bei allen Beteiligten des Schulausschusses am 02.09.2021 gab es einen fraktionsübergreifenden Konsens, man müsse die Kinder bestmöglich schützen. Auch, wenn ggf. wissenschaftlich nicht abschließend geklärt sei, was Raumlüfter in Bezug auf die Virenlast bringen. Mittlerweile sieht das ganz anders aus. Die anderen Fraktionen sind leiser geworden und argumentieren, dass die Wirksamkeit von Luftfiltergeräten umstritten sei. Eine Ausstattung aller Rösrather Schulen wird aktuell nur noch von ZLR gefordert.

Wie war der Ablauf der politischen Willensbildung zu diesem Thema? Was ist dran an den Argumenten, dass Luftfiltergeräte gar nicht wirksam seien? Wir versuchen mit unserem Faktencheck etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Teil 1: Fördermöglichkeiten

Das Land Nordrhein-Westfalen hat ein zweites Lüftungsprogramm für Schulen und Kitas in Höhe von 90,4 Millionen Euro bereitgestellt. Aus dem NRW-Rettungsschirm kommen 48,2 Millionen, der Bund gibt 42,2 Millionen Euro. Aus diesen Mittel können die Träger von Schulen und Kitas Luftfilter für solche Räume anschaffen, in denen die Lüftung nur eingeschränkt möglich ist. Nach Angaben des Ministeriums liegt der Anteil dieser Räume zwischen 15 und 25 Prozent. Mit Hilfe eines ersten Programms waren in Nordrhein-Westfalen bereits 5.500 Räume mit Lüftern ausgestattet worden. Für Rösrath bedeutet dies, dass lediglich acht oder neun Räume der GGS Hoffnungsthal mit geförderten Geräten ausgestattet werden können. Alle weiteren Schulen haben keine eingeschränkten Lüftungsmöglichkeiten. Will man demnach in Rösrath weitere Räume mit Luftfiltergeräten ausstatten, so trägt die Stadt hierfür die Kosten.

Teil 2: Das politische Hin und Her in Rösrath

Schulausschuss 02.09.2021 (bundesweite Inzidenz 76,9): Die SPD vertritt den Standpunkt, dass für alle Schulen Luftfilteranlagen bestellt werden sollten. Auch ZLR und Linke fordern eine weitergehende Ausstattung der Schulen über die bestehenden Fördermöglichkeiten hinaus. Vertreter der CDU äußern, die Schulen müssten „bestmöglich ausgestattet“ werden. Es besteht im Ausschuss Einigkeit, dass ein fraktionsübergreifender Konsens gefunden werden müsse und keine Fraktion / Partei hier mit Einzelanträgen vorpreschen sollte. Vor diesem Hintergrund beauftragt der Ausschuss die Verwaltung, im Rahmen der nächsten Sitzung des Stadtrates die Kosten für eine Vollausstattung aller Rösrather Schulen mit Raumlüftungsgeräten zu beziffern.

Schulbauausschuss 28.10.2021 (bundesweite Inzidenz 130,2): Die SPD rückt von der Forderung ab, Luftfiltergeräte für alle Rösrather Schulen oder auch nur für Klassen mit Kindern unter 12 Jahren (ungeimpfter Personenkreis) zu bestellen. Argumentiert wurde, dass sich die Lage verändert habe: Die Pandemie solle Ende November für beendet erklärt werden, und es sei zudem mit einer allgemeinen Entspannung der Lage im März 2022 zu rechnen.

Von diversen Fraktionen (Grüne, SPD, CDU) wird die Wirksamkeit der Luftfiltergeräte bezweifelt, wissenschaftlich sei nicht bewiesen, dass diese was bringen.

Lediglich die Fraktion ZLR widerspricht dieser Darstellung und weist auf die besondere Schutzbedürftigkeit ungeimpfter Kinder hin. ZLR fordert daher auch weiterhin eine Ausstattung aller Rösrather Schulen über die bestehenden Fördermöglichkeiten hinaus. ZLR weist auch darauf hin, dass andere Gemeinden, wie z.B. Bergisch Gladbach, hier schneller seien und ihre Schulen entsprechend ausstatten würden.

Schulausschuss 04.11.2021 (bundesweite Inzidenz 154,5): Vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltslage und des Fehlens eines Kämmerers äußert sich die Verwaltung kritisch zur Möglichkeit, Luftfilter zeitnah anschaffen zu können. Solange kein Haushalt für 2022 verabschiedet sei, wären derartige Investitionen nicht möglich. Erneut wird über die Wirksamkeit der Geräte gesprochen.

Teil 3: Wissenschaftliche Hintergründe

Wissenschaftler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr haben das Lüftungskonzept der Kultusminister untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Möglichkeit durch regelmäßiges kurzes Lüften die Viruslast im Klassenzimmer zu reduzieren, stark überschätzt wird. Raumluftfilter hingegen werden als effektivstes der untersuchten Raumluftkonzepte dargestellt: „Ein wesentlicher Vorteil der Raumluftreiniger und Entkeimungsgeräte besteht darin, dass sie dauerhaft für eine geringe Virenlast im Raum sorgen, ohne sich um das Öffnen von Fenstern kümmern zu müssen und ohne, dass sie das Wohlbefinden im Raum beeinträchtigen“. Ferner sorgten sie im Gegensatz zur freien Lüftung mit Fenstern auch dafür, dass eine wirkliche Reduzierung oder Inaktivierung der Virenlast erfolgt, was durch geöffnete Fenster oft nicht gewährleistet werden kann.“ (Studie: Kähler, C. J., T. Fuchs, B. Mutsch, R. Hain (2020): Schulunterricht während der SARS-CoV-2 Pandemie ‒ Welches Konzept ist sicher, realisierbar und ökologisch vertretbar?“).
Anzumerken ist aber, dass die Studie zum Teil von Herstellern von Luftfiltergeräten finanziert wurde und daher in der Kritik steht.

Doch es gab noch weitere Feldversuche: Frankfurter Atmosphärenforscher haben eine Woche lang vier Luftreiniger in einer Schulklasse mit Lehrern und 27 Schüler:innen getestet. Das Ergebnis: 30 Minuten nach dem Anschalten hatte ein Luftreiniger 90 Prozent der Aerosole aus der Luft entfernt (Arbeitsgruppe Experimentelle Atmosphärenforschung an der Goethe-Universität Frankfurt).

Trotzdem zeigte sich das Umweltbundesamt (UBA) lange skeptisch. „Die lnnenraumlufthygienekommission des UBA hält den Einsatz von mobilen Luftreinigern in Klassenräumen (…) für nicht geeignet, da sie das aktive Lüften nicht ersetzen, sondern allenfalls in Einzelfällen flankieren können“, so heißt es mit Datum vom 13. August 2020. Mittlerweile hat aber auch das Umweltbundesamt die Wirksamkeit mobiler Luftfiltergeräte bei richtiger Aufstellung und Anwendung in Schulen bestätigt: „Natürlich helfen mobile Luftfilter gegen Viren – wenn es sich um geprüfte Geräte handelt und sie richtig im Klassenraum aufgestellt sind“ – so UBA-Sprecher Heinz-Jörn Moriske gegenüber der Zeitung „Handelsblatt“. Weiter führt das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite zu UVC-Geräten aus (angeschafft aus öffentlichen Fördermitteln für die GGS Hoffnungsthal):„UV-C Strahlung ist vom Grundsatz her in der Lage, Mikroorganismen wie Bakterien und Viren zu inaktivieren. Geräte mit UV-C Strahlungsquellen werden schon seit langem zur Entkeimung von Oberflächen z. B. in Laboren oder zur Raumluftdesinfektion in lebensmittelverarbeitenden Betrieben eingesetzt.“

Eine Studie Charité Berlin kommt aber laut UBA zu dem Ergebnis, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 an Schulen im Winter 2020/2021 im Vergleich zu sonstigen gesellschaftlichen Aktivitäten niedrig sei, obwohl kaum Luftreiniger an den Schulen im Einsatz waren.

Luftfiltergeräte für den Düsseldorfer Landtag: Ein Landtags-Sprecher sagte BILD, die Geräte würden zur Reduzierung der Virenlast am Besuchereingang, an den Aufzügen sowie in der stark genutzten Bürgerhalle sowie der Wandelhalle vor dem Plenarsaal aufgestellt. Mit der Maßnahme folgt der Landtag einer Empfehlung von Professor Martin Exner, Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Uni Bonn.

Fazit: Die Wirksamkeit von Luftfiltergeräten ist wissenschaftlich umstritten. Die vorliegenden Studienergebnisse sind noch lückenhaft. Die einzige umfassende und publizierte Studie zu dem Thema von Wissenschaftlern vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik steht wegen mangelnder Unabhängigkeit in der Kritik. Allerdings ist zu anzumerken, dass das lange Luftfiltergeräten ablehnend eingestellte Umweltbundesamt mittlerweile die Wirksamkeit der Geräte nicht mehr grundsätzlich infrage stellt.

Teil 4: Die Position der Wählergemeinschaft ZLR

Wir finden heute Raumlüftungsgeräte und -filteranlagen in fast allen großen Unternehmen und bspw. auch im Düsseldorfer Landtag. Sogar im Rösrather Sitzungssaal (Bürgerforum Bergischer Hof) befindet sich eine festinstallierte Lüftungsanlage. Wenn es um die Sicherheit von Erwachsenen und geimpften Menschen geht, wird nicht dreimal nachgefragt, ob Luftfiltergeräte wirksam seien, sie werden einfach installiert. Bei Kindern sieht das ganz anders aus. Ungeimpften Kindern wird wie selbstverständlich zugemutet, im Winter bei weit geöffneten Fenstern im Klassenzimmer zu sitzen. Die Wirksamkeit von Luftfiltergeräten in Klassenzimmern wird lieber endlos diskutiert als nach dem Motto zu handeln: Im Zweifel für die Sicherheit, im Zweifel für die Kinder.

Wieder einmal werden die Belange, Interessen und Sorgen von Kindern und Jugendlichen hintenangestellt. Statt sich nun für die Zukunft zu wappnen, statt sicherzustellen, dass bei weiter steigendem Infektionsgeschehen nicht wieder die Schülerinnen und Schüler mit Schulschließungen und Homeschooling die Leidtragenden sind, wird erneut ein dringendes Thema in Rösrath auf die lange Bank geschoben.

Richtig ist der Hinweis, dass die aktuelle Haushaltssituation rund um den fehlenden Kämmerer die Aufstellung eines Haushaltes für 2022 verhindert. Richtig ist auch, dass ohne Haushalt keine Neuinvestitionen von einer Million Euro getätigt werden können. Es stimmt auch, dass weitere Studien notwendig sind, um die Wirksamkeit von Raumlüftungskonzepten abschließend beurteilen zu können. In dieser Situation wäre es aber nach Meinung von ZLR richtig, bereits heute zu beschließen, dass die weitere Ausstattung von Unterrichtsräumen mit Luftfiltergeräten erfolgt, wenn die Haushaltssituation für das Jahr 2022 dies zulässt. Dass jetzt trotz des massiven Infektionsgeschehens alle anderen Parteien zurückrudern, ist nicht akzeptabel. Das Virus wird auch in den kommenden Jahren und besonders in der kalten Jahreszeit zu unserem Alltag gehören. Wir haben die Verantwortung und die Aufgabe, die Kinder, die lange Zeit als Verlierer dieser Krise galten, wirksam und nachhaltig zu schützen.

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